Die nach den Kölner Ereignissen in Deutschland hitzig geführte Auseinandersetzung um die Verschärfung des Abschieberechts schwappt zu Unrecht auf die Schweiz über. – Niccolò Raselli, alt Bundesrichter.

  1. Die Rechtslage in Deutschland

Im Ausweisungsrecht Deutschlands bildet die Strafhöhe den entscheidenden Indikator. Wer „eine Gefahr für die Allgemeinheit“ bedeutet, weil er wegen eines schweren Delikts zu mindestens 3 Jahren Haft verurteilt wurde, dem wird die Anerkennung als Flüchtling von vornherein verweigert, falls mit einem Rückfall zu rechnen ist. Ist jemand als Flüchtling anerkannt, kann er nur bei einer „schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“, ausgewiesen werden. Auch hier ist die Rückfallprognose bedeutsam.

Auch bei einer Haftdauer unter der Schwelle von 3 Jahren ist eine Ausweisung möglich. Dabei werden Gründe, die für eine Ausweisung sprechen (Haftdauer und z.B. Terrorismusverdacht) gegen Gründe für ein „Bleibeinteresse“ (Aufenthaltsdauer, familiäre Bindung)  abgewogen. 1 Jahr Haft wiegt „schwer“, mehr als 2 Jahre „besonders schwer“. Nach einer Aufenthaltsdauer von 5 Jahren gelten Ausländer als „faktische Inländer“.

 2.  Die aktuelle Debatte in Deutschland

Seit den Kölner Ereignissen sind Verschärfungen in Diskussion: Verlust der Asylberechtigung auch bei einer unbedingten Freiheitsstrafe ohne Schwellenwert (CDU) bzw. bereits bei einer bedingten Freiheitsstrafe (CSU), welcher Forderung sich der CDU-Bundesvorstand angeschlossen hat. In der Regierungskoalition bleibt die Forderung allerdings umstritten ist. Bundesjustizminister Maas ist gegen eine Verschärfung, da etwa bei Sexualübergriffen ein die Ausweisung rechtfertigendes Strafmass möglich ist (Mindesthaft von 1 Jahr bei sexueller Nötigung).

Einen Automatismus bei Abschiebungen, also keine Prüfung der Verhältnismässigkeit durch ein Gericht, hat bisher kein deutscher Politiker verlangt. Forderungen, wie sie die SVP erhebt, gehen in Deutschland auch nach der Kölner Silvesternacht offensichtlich zu weit.

  1. Die deutsche und schweizerische Rechtslage im Vergleich

Vergleicht man unsere Ausführungsgesetzgebung zur Ausschaffungsinitiative mit der aktuellen Rechtslage in Deutschland, sieht man eklatante Unterschiede:

  • Nach Art. 66a des schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) hängt die Ausweisung nur von der Erfüllung der Deliktstatbestände ab. Anders als in Deutschland spielen weder die Höhe noch die Bedingtheit der Strafe eine Rolle.
  • Das öffentliche Interesse an der Ausweisung wird nicht wie in Deutschland durch die Rückfallprognose konkretisiert.
  • Anders als in Deutschland sind die Deliktstatbestände von Art. 66a StGB „obligatorische“ Ausweisungsgründe. Gemildert wird die harte Ausweisungsregelung lediglich durch die Härtefallklausel.
  • Hinzu kommt die Generalklausel der nicht obligatorischen Landesverweisung „wegen eines Verbrechens oder Vergehens, das nicht von Art. 66a erfasst wird“ (Art. 66abis StGB).
  1. Schussfolgerung

Die Rechtslage in der Schweiz ist – auch ohne den verfassungs- und völkerrechtswidrigen Automatismus der Durchsetzungsinitiative – sehr viel rigoroser als die Rechtslage in Deutschland. Das  selbst bei Berücksichtigung der von einem Teil der deutschen Regierungskoalition beabsichtigten Verschärfung des Abschieberechts.

Darum ein Nein zur Durchsetzungsinitiative der SVP!

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