Die Kündigungsinitiative der SVP

I Abbruch der bilateralen Beziehungen mit unserem wichtigsten Partner

Die Volksinitiative „Für eine massvolle Zuwanderung“ schreibt ein Verbot der Personenfreizügigkeit in der Verfassung fest (Art.121b BV). Die Annahme der Initiative hätte die Kündigung der Personenfreizügigkeit und damit den Abbruch der wichtigsten bilateralen Beziehungen zur EU zur Folge (sog. Bilaterale I). Denn mit der Kündigung der Personenfreizügigkeit fallen auch alle andern Abkommen automatisch dahin (sog. Guillotine-Klausel), welcher Vereinbarung das Schweizer Volk seinerzeit mit 67,2 % Ja-Stimmen zugestimmt hat. Es handelt sich um folgende Abkommen: (1) Personenfreizügigkeit, (2) Beseitigung technischer Handelshemmnisse, (3) öffentliche Aufträge, (4) Landwirtschaft, (5)  Landverkehr, (6) Luftverkehr und (7) Forschung. Die EU ist unser wichtigster wirtschaftlicher und kultureller Partner.

II Trickserei mit den Verhandlungen

Die Initiative sieht zwar vor, dass die Schweiz zunächst auf dem Verhandlungsweg versuchen soll, die Personenfreizügigkeit ausser Kraft zu setzen – unter Beibehaltung der übrigen Bilateralen. Falls das nicht gelingt, ist die Personenfreizügigkeit zu kündigen (Art. 197 Ziff. 121 BV). Damit erweckt die SVP den Anschein, bei der Abstimmung gehe es nicht um die Frage des Abbruchs der Bilateralen I, sondern nur um ein Verhandlungsmandat. Dabei wissen die Initianten genau, dass es nichts zu verhandeln gibt. Die EU könnte es sich gar nicht leisten, solcher Rosinenpickerei stattzugeben. Wer die Initiative annimmt, bricht die Bilateralen I ab.

Die Trickserei hat noch einen weiteren Aspekt: Würde es auf dem Verhandlungsweg nicht gelingen, die Personenfreizügigkeit ausser Kraft zu setzen, was voraussehbar ist, würden die Initianten für das Scheitern der Verhandlungen, den darauf folgenden Abbruch der Bilateralen I mit allen für uns negativen Folgen die EU zum Sündenbock machen.

III Folgen einer Annahme der Initiative

  1. Fahrt ins Ungewisse: Was nach einer Annahme der Initiative und dem Abbruch der Bilateralen I kommen würde, ist – ähnlich dem Brexit – völlig offen. Es wäre eine Fahrt ins Ungewisse, eine Art Blindflug. Bezeichnenderweise legen die Initianten diesbezüglich keinen Plan vor, sondern gehen voll auf Risiko.
  2. Mit was allerdings zu rechnen wäre: Das Exportland Schweiz – 55 Prozent unserer Exporte gehen in die EU – würde seine Teilnahme am europäischen Binnenmarkt verlieren. Mit den flankierenden Lohnmassnahmen, den Initianten schon lange ein Dorn im Auge, wäre Schluss. Das dann zu erwartende Kontingentierungssystem setzte namentlich untere Löhne unter Druck. Saisonniers würden zu Dumpinglöhnen angestellt und drückten so alle Löhne. Prekäre Arbeits- und Aufenthaltsbedingungen wären die Folge. Es wäre mit Schwierigkeiten im Bereiche der Forschung und Bildung zu rechnen: Forschende und Studierende aus der Schweiz könnten nicht mehr ohne weiteres an den Forschungs- und Austauschprogrammen der EU teilnehmen. Studierende, die nicht aus der EU kommen, müssten mit horrenden Studiengebühren rechnen. Ungewiss wäre schliesslich der Status der in der EU lebenden Schweizer und Schweizerinnen: Fast 500 000 Auslandschweizer leben, arbeiten und studieren in der EU.

Diesem verantwortungslosen Blindflug ist ein NEIN entgegenzusetzen.

  1. September 2020             Niccolò Raselli

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