Suzanne Kristiansen                                                                                                                                     4. Mai. 2020
Präsidentin SP Obwalden
Ritterweg 5
6060 Sarnen

Regierungsrat
Christian Schäli
Bildungs- und Kulturdepartement
Staatskanzlei, Rathaus
6061 Sarnen

Offener Brief Maturaprüfungen 2020 Korrekturen?

Sehr geehrter Herr Regierungsrat, geschätzter Christian

Laut Mitteilung vom 4. Mai hat der Regierungsrat entschieden, die schriftlichen Maturitätsprüfungen durchzuführen. Er «möchte damit den Maturandinnen und Maturanden einen ordentlichen Abschluss ermöglichen.» 
Die geringen COVID-19 Fallzahlen in Obwalden erlauben epidemiologisch betrachtet eine sichere Durchführung der Prüfungen. Aber erlaubt es die Corona-Krise mit all ihren Auswirkungen, dass von einem «ordentlichen Abschluss» gesprochen werden kann? Wie alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Endphase ihrer Ausbildung waren die Maturandinnen und Maturanden in den letzten Wochen einer erheblichen Belastung ausgesetzt. Konfrontiert mit sozialer Isolation, innerfamiliären Spannungen und Konflikten, räumlicher Enge, diffusen und realen Ängsten vor Ansteckungen, wurden sie zusätzlich sehr lange Zeit bezüglich der Durchführung und Anerkennung ihrer Maturität im Ungewissen gelassen. Jetzt wird erwartet, dass sie wieder funktionieren und einen ordentlichen Abschluss ablegen. Je nach persönlicher Resilienz wird dies einigen Maturierenden gut gelingen, andere werden massive Schwierigkeiten haben ihre eigentlichen Fähigkeiten an dieser Prüfung zu beweisen. Die Vorbereitungsphase auf diese Maturität war situationsbedingt alles andere als optimal. Gemeinsamer Austausch, gemeinsames Studium, sich gegenseitiges Unterstützen war nur in reduziertem Masse möglich. Die vorliegenden Prüfungsvoraussetzungen sind unfair und führen zu Chancenungleichheit. Es wird kaum möglich sein, dieser Ungleichheit vollumfänglich bei der Beurteilung der Prüfungen Rechnung zu tragen.
Die Tatsache, dass anderen Kantone ganz auf die Durchführung der Maturitätsprüfungen verzichten und die Matura auf Basis von Erfahrungsnoten ausstellen, führt zu einer zusätzlichen Ungleichbehandlung und Benachteiligung unsere Maturierenden.

In Obwalden werden die schriftlichen Prüfungen dieses Jahr gleich hoch gewertet wie die Leistungsnoten während der Semester und erhalten somit einen höheren Stellenwert als üblicherweise. Diese Entscheidung mag regelkonform sein, berücksichtig aber, anders als vom Regierungsrat geäussert, keineswegs die besonderen Umstände. Im Gegenteil erhöht sie den Druck auf die Maturierenden, da eine Prüfung in gleichem Masse promotionswirksam ist wie bisher zwei Prüfungen. Eine Korrektur dieses Entscheides ist dringend angezeigt. Sich nur auf «das Augenmass in Härtefällen» zu verlassen, genügt nicht.

Der Kern einer Prüfung ist es, sich noch einmal intensiv mit dem vermittelten Lerninhalt auseinanderzusetzen. Es hätte unter den gegebenen Umständen kreativere Lösungen gegeben, diese Auseinandersetzung bei den Studierenden zu evozieren als dieses Beharren auf die Durchführung der Maturitätsprüfungen. Das Gleiche gilt, wenn es darum geht, gefährdeten Schülern eine Chance zu geben. Auch ihnen dürfte mit den getroffenen Entscheidungen nicht geholfen sein.

Es bleibt zu hoffen, dass der Regierungsrat seine Entscheidung noch einmal überdenkt und es zumindest bezüglich der Bewertung nicht beim Lippenbekenntnis bleibt, dass der besonderen Lage Rechnung getragen wird.

Freundliche Grüsse

Suzanne Kristiansen
Präsidentin SP Obwalden

 

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